Nichts läuft so, wie ich es mir vorstelle, damit ich mich gut fühle. Mal wieder ein Wochenende, in der die Beziehungslosigkeit einer Beziehung im Vordergrund steht. Fragezeichen statt Ausrufezeichen. Missverständnisse, Kommunikationsabbrüche statt in Kontakt und Verbindung sein. Was tun?
Ich weiß nur allzu gut, dass ich es im Kopf nicht löse. Also hinsetzen, Augen schließen, die Wahrnehmung nach Innen richten und mich auf eine weitere innere Reise einlassen. Sogleich tauchen Bilder so vieler Beziehungen auf, die durch Mauern geprägt sind: Partnerschaften, Freundschaften, manche vergangene Arbeitsbeziehung. Etwas anderes scheint es gar nicht zu geben. Hauptsache jeder hat sich ordentlich gerüstet und eine dicke Fassade aus Eisblöcken hochgezogen. Eiszeit.
Das Schlimmste für mich ist zu erkennen, wie schmerzhaft es ist, wenn der andere nicht bereit ist, sein Eis schmelzen zu lassen. Da kann ich noch so viel eigene Mauern runterreißen und mich auf den Kopf stellen, eine Verbindung ist deshalb noch lange nicht möglich; denn in einer Beziehung gehören schließlich zwei dazu. Mir wird bewusst, wie schmerzhaft vor allem genau das ist. Hier im Fühlen zu bleiben, statt in die Abwehr zu gehen, ist eine der größten Herausforderungen. Ich entscheide mich im Fühlen zu bleiben. Sofort zeigt sich der Schmerz. Er ist groß. Er ist alt. Er nimmt seinen Ursprung dort, wo der erste Mensch anfing eine Mauer zu errichten. Wir alle tragen bewusst oder unbewusst diesen Schmerz.
Ich öffne mein Herz für den Schmerz. Es ist, als sei ich nun ein kleiner Wassertropfen, der von einem größeren Wassertropfen angezogen wird. Ich verschmelze mit dem größeren Wassertropfen. Ich sehe, er besteht auf vielen kleinen Wassertropfen von Menschen, die ich kenne und nicht kenne, aber die immer wieder bereit sind ihr Eis schmelzen zu lassen. Es gibt keine Mauern zwischen uns, nur ein ineinander gewobenes Netz von Fähigkeiten und Möglichkeiten, die konkurrenzlos und widerstandslos an einer gemeinsamen Sache arbeiten, wie Zellen in meinem Körper, die alle eine bestimmte Funktion haben, doch nur in der Gemeinschaft von anderen Zellen funktionieren können. Was wäre das für eine Welt, wenn wir uns alle daran erinnern würden?
Zur Person: Jeanne Surmont ist heilkundliche Psychotherapeutin, Traumatherapeutin und Kunsttherapeutin. Ihr Spezialgebiet ist emotionale Bewusstseinsarbeit und Integrationsarbeit zur Heilung eigener und transgenerativer traumatischer Erfahrungen. Sie arbeitet in München in eigener Praxis und online mit Menschen weltweit auf Deutsch, English und Französisch.